Die Gehälter sind nicht das vorrangige Problem

07. Oktober 2018

v.l. stehend Gastarzt Dr. Alejandro M. aus El Salvador, Stadtrat Sepp Glaser, ehem. Stadtrat Günter Sandner, v.l. sitzend Stationsleitung Beata S., stellv. Landrätin und SPD Landtagskandidatin Alexandra Burgmaier.
SPD Landtagskandidatin Alexandra Burgmaier nahm sich viel Zeit für ein offenes Gespräch mit Pflegekräften im Pflegestützpunkt der Fachklinik Ghersburg für geriatrische Rehabilitation in Bad Aibling. Mit dabei waren interessierte Bürger, die ebenfalls Fragen an die Pflegekräfte stellen durften.v.l. stehend Gastarzt Dr. Alejandro M. aus El Salvador, Stadtrat Sepp Glaser, ehem. Stadtrat Günter Sandner, v.l. sitzend Stationsleitung Beata S., stellv. Landrätin und SPD Landtagskandidatin Alexandra Burgmaier.

Die Stationsleitung der geriatrischen Klinik Beata S. stammt selbst aus Polen. Sie findet es gut in einem Multikultipflegeteam aus aller Herren Länder, bei sich hatte sie ihre Kolleginnen Musliu S. aus dem Kosovo und Jelena D. aus Bosnien, zu arbeiten und mit wenigen Ausnahmen schätzt sie ihre ebenfalls nicht deutschstämmigen Kolleginnen und Kollegen höher ein als Pflegekräfte aus dem Inland. Deren Ansprüche seien nicht kompatibel mit dem Pflegealltag. Viele deutschstämmige Bewerber, die bei ihr Probe gearbeitet hätten, wollten nur noch am Computer sitzen, aber nicht mehr selbst aktiv Patienten pflegen. Auf die Frage einer mit Alexandra Burgmaier zusammen erschienenen Besucherin, ob an dem Gerücht etwas dran sei, dass die Kliniken und Pflegeheime gerne ausländische Kräfte einstellen würden, weil diese für weniger Geld arbeiten würden, müssen die drei schmunzeln. Nein, auf keinen Fall würden sie für weniger Geld arbeiten als deutsche Kolleginnen und Kollegen, das könnte sich bei dem Pflegekräftemangel keine Klinik leisten, schließlich sprächen sich die Gehälter ja doch rum, und wenn es so etwas gäbe würden sie sofort wechseln. Es gäbe einfach nicht genügend Deutsche, die diesen Beruf ausüben wollten. Das sei die einfache Wahrheit. Eine weitere Frage an die Pflegekräfte lautete, ob es denn Probleme gäbe, die Ihnen am Herzen lägen. Beata S antworte, dass sich die ausländischen Pflegekräfte vor allem durch die deutsche Bürokratie diskriminiert fühlen würden. Obwohl sie in den Heimatländern in der EU und außerhalb Pflege studiert hätten und hervorragend ausgebildet wären, würden sie von den Behörden und Behördenmitarbeitern wie schlecht ausgebildete Menschen zweiter Klasse behandelt. Trotz aller Unterlagen bei der Anerkennungsbehörde, der Regierung von Oberbayern, dauere es oft noch mehr als ein Jahr bis sie ihre Anerkennungsurkunde erhalten würden, für den Arbeitgeber voll einsetzbar wären und dann auch das volle Gehalt einer examinierten Fachkraft beziehen könnten. Außerdem empfänden sie es als Frechheit, dass sie eine Deutschprüfung machen müssten, die vom Schweregrad her die meisten Deutschen nie bestehen könnten. Sie habe oft beim Lernen deutsche Kolleginnen gefragt wie den das eine oder andere Wort im Akkusativ oder Dativ geschrieben würde, oder ein Verb im Konjunktiv, aber die hätten das dann alle selbst nicht gewusst. Ja, aber Verständigung mit den Patienten sei doch wichtig, gerade bei älteren Patienten war eine Zwischenfrage einer Bürgerin. Ja natürlich meinte Jelena D., aber da gäbe es keine Probleme und diese Verständigung würde ja nicht durch den B2 Schein abgefragt. Entscheidend so Beata S. sei vor allem die Empathie die man den Patienten entgegenbringen würde und die Geduld die man aufbrächte, um mit älteren Patienten zu reden. Von Patienten käme auch nie Kritik, manchmal würden Angehörige aggressiv, wenn sie bei einem Besuch nicht auf einheimische Pflegekräfte treffen würden und sie den ausländischen Akzent heraushören würden, aber das wäre wahrscheinlich nur der Ausdruck von Hilflosigkeit, die die Angehörigen angesichts dessen was mit der Weiterpflege zu Hause auf sie zukäme spürten. Alexandra Burgmaier drückte den Pflegekräften ihre große Anerkennung aus für die Arbeit, die sie leisteten und bestätigte die Problematik mit den Behörden. Sie erhalte kontinuierlich Informationen und Beschwerden ausländischer und inländischer Landkreisbürger, weil wohl gerade in Bayern, speziell in Oberbayern und im Landkreis Rosenheim Arbeitserlaubnisbestimmungen und Einreisebestimmungen sowie Anerkennung von ausländischen Abschlüssen mit der größtmöglichen Härte und Ablehnung bearbeitet würden. Dass dem wirklich auch so sei, werde durch interne Behördenpapiere bestätigt. Angesichts des Fachkräftemangels in allen Bereichen auch der Gastronomie könne sie das überhaupt nicht nachvollziehen und hoffe nun stark auf das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz aus Berlin. Sowohl als stellvertretende Landrätin als auch als mögliche Abgeordnete wolle sie sich dem Thema intensiv widmen. Zum Abschluss der Gesprächsrunde am Arbeitsplatz der Pflegekräfte kam dann doch noch die Frage nach der genauen Höhe der Löhne. Beata S. hatte keine Probleme diese Frage zu beantworten, es sei auch kein großes Geheimnis und würde sich unter den Pflegekräften ohnehin überall herumsprechen. Die Löhne an ihrem Arbeitsplatz in Bad Aibling liegen im Bereich des Tariflohns und teilweise darüber. Eine examinierte Krankenpflegekraft als Anfängerin erhalte rund 2600-2700 € Brutto-Grundgehalt (Altenpfleger etwas darunter), mit den steuerfreien Nacht-, Sonntags- und Feiertagszuschlägen kämen diese auf insgesamt 3100-3300€, je nach Anzahl der Nachtdienste. Eine Fachkraft mit Berufserfahrung steige in der Regel bei 2900€ ein und käme auf gut 3500€ mit den Zuschlägen, bei Leitungsfunktionen, z.B. Stationsleitung und Zusatzausbildungen lasse sich dies auf über 4000€ steigern. Komplett ungelernte Arbeitskräfte, also Pfleghelfer ohne Berufserfahrung und ohne eine Ausbildung lägen durch den Mindestlohn in der Pflege bei 1800-1900€ und Pflegehelfer mit Berufserfahrung oder irgendeiner Form der Ausbildung zwischen 2000-2500€ Grundgehalt, dazu kämen dann noch die Zuschläge. Alexandra Burgmaier zeigte sich z.T. positiv überrascht über die Lohnhöhe und hoffte das sich dies mehr herumsprechen würde. Anders als viele immer meinten seien die Löhne in der Industrie nicht überall die Spitzenlöhne der Autoindustrie, Industriefacharbeiter würden z.T. nicht mehr als 2100-2300€ als Gesellen verdienen, führte sie aus. Beata S ergänzte, dass in der Neurologie Fachkräfte zwar mit 3500€ einsteigen würden, aber diese Arbeit sei natürlich auch extrem psychisch und physisch belastend. Hier in der Geriatrie würde man nicht diese Spitzenlöhne verdienen, dafür werde man jeden Tag auch durch Erfolgserlebnisse belohnt, wenn ältere Patient liegend aus dem Akutkrankenhaus ankämen und mehr als 50% von Ihnen nach drei Wochen Rehabilitation auf eigenen Beinen wieder ins eigene Zuhause zurückkehren könnten. Dafür würde man arbeiten, nicht nur fürs Geld, aber dafür hätte man auch gerne mehr Anerkennung aus der Bevölkerung.

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